Gedanken zum Advent – 1. Kerze
Pünktlich zu Weihnachten beschäftigen sich Heerscharen von
Sprachforschern mit der Suche nach „dem Wort des Jahres“. Also dem Wort das in
besonderer Weise die vergangenen zwölf Monate geprägt hat. Manche Wörter waren
vor einem Jahr noch gar nicht bekannt, gehören aber heute zum festen
Bestandteil unserer Sprache.
In der vergangenen Woche kürte eine Jury des
Langenscheidts-Verlags die Wortkreation „YOLO“ zum Jugendwort 2012. „YOLO“ ist
weder eine neue Piratenpartei, noch eine abgefahrene Hip-Hop-Formation, sondern
steht für „YOU ONLY LIVE ONCE“. Das ist Englisch und bedeutet: DU LEBST NUR
EINMAL. Eine sensationelle Erkenntnis. Früher hieß das „carpe diem – nutze den
Tag“.
Und da heißt es immer, mit der Jugend von heute sei nix los.
Ich finde die Erkenntnis „Du LEBST NUR EINMAL“ ein großartiges Zeichen von
Reife, denn Vielen dämmert es ja erst mit 80 oder 90, dass zumindest das
irdische Leben so eine Art one-way-ticket sein könnte.
Ginge es nach mir, hätte man das Wort „Hysterie“ auf Platz 1
gewählt. Dieses Wort sieht man zwar nicht so häufig in ausgeschriebener Form,
sondern liest es eher zwischen den Zeilen bzw. „über“ den Zeilen. Schaut man
sich nämlich aktuelle Berichte aus den Medien an, wird aus Banalem eine
Sensation.
Beispiel?
„Autofahrer von Wintereinbruch überrascht“. Liebe
Autofahrer, wir haben Anfang Dezember und leben auf der nördlichen
Erdhalbkugel. Ich finde dass man unter diesen Vorzeichen nicht wirklich vom
Winter überrascht werden kann. Die BILD titelte sogar „Deutschland rüstet sich
gegen die Russenpeitsche“. Besonders ältere Mitbürger, die den Weltkrieg
erleben mussten, dürften darüber den Kopf geschüttelt haben. Und weil es den
Medien offenbar an echten Sensationen mangelt, lautete eine weitere
Überschrift: „Warum trägt Xavier Naidoo immer Sonnenbrille?“ Die sollten mal
lieber fragen, warum ich immer Ohrstöpsel trage, wenn der singt. Und weil die
Boulevardpresse es sich gerne einfach macht, verwundert nicht der Versuch,
Schlagzeilen aus dem Vorjahr auf die Agenda zu hieven. „Neuer Giftanschlag auf
Weihnachtsmarkt – Glühwein gepantscht?“
Auf einem Berliner Weihnachtsmarkt gab es offensichtlich eine Dame, die
über Übelkeit, Bewusstseinsstörungen und Ohnmacht klagte. Nach der wievielten
Tasse Glühwein die Symptome eingetreten waren, darüber wurde allerdings nichts
bekannt. Tipp: nach der fünften Tasse mal rüber zum Bratwurststand oder auf
Kakao umsteigen.
Und wo wir schon bei Tipps sind. Auch der TÜV hat sich
vergangene Woche zu Wort gemeldet und den (Achtung Wortspiel) „brandheißen“
Tipp gegeben, bei der Weihnachtsbeleuchtung um Himmels Willen auf B-Ware zu
verzichten, weil diese das Zeug hat, Ihnen schneller die Bude in Brand zu
stecken, als Sie „Weihnachten“ sagen können. Darüber hinaus wird empfohlen, die
Festillumination auch nur im autorisierten Fachhandel zu erwerben und nicht auf
schlecht beleuchteten Autobahnrastplätzen aus den Kofferräumen osteuropäischer
Händler.
Wenn Sie in einem Anflug vorweihnachtlicher Nächstenliebe
jemanden eine Freude bereiten möchten, verschenken Sie doch Adventskalender.
Die sind in diesem Jahr besonders wertvoll, weil mineralölhaltig. Wenn sich das
geschmacklich durchsetzt, könnten spätestens zu Ostern weitere Variationen in
den Handel gebracht werden wie z.B. Schokohasen mit 75% Kakaoanteil und 25%
Kerosin. Das wäre dann eventuell auch eine große Chance für die Stadt
Wesseling, die derzeit auf einem riesigen unterirdischen Kerosinsee hockt und
darauf wartet, dass das Zeug entweder versickert oder ihr um die Ohren fliegt.
Und wer sich beim diesjährigen Schmücken der Nordmanntanne
mal nicht im Kabelgewirr der Lichterkette verheddern möchte, sollte sich die
ultimative Neuheit gönnen: kabellose LED-Kerzen mit Halteklipp und Echtwachs,
die mittels einer Fernbedienung vom Sessel aus eingeschaltet werden können. Das
ist zwar nicht ganz billig, aber wie haben wir diese Woche gelernt?!
YOLO – Du lebst nur einmal!
Einen guten Start in den Advent.
Euer Tuppes