Samstag, 17. Dezember 2011

Kabarettistische Gedanken zum Advent…4. Kerze

Pünktlich zum 4. Advent fegt Sturmtief „Jogi“ übers Land und beschert der Deutsche Bahn, endlich einmal plausible Ausreden für ihre permanenten Verspätungen. Nicht Fehlplanung, Unvermögen oder Bummelei, sondern Tannenzapfen und Weihnachtsgestecke im Gleisbett. Da die Gleisanlagen nun dekorativ aufgewertet sind, hat man flugs die Preise erhöht, denn das Auge fährt bekanntlich mit. Wenn schon Verspätung, dann bitte recht hübsch.


Und kaum sind in manchen Landesteilen die ersten Schneeflocken gefallen, berichten die Medien auch schon von „Schneechaos“ und drohendem „Blitzeis“. Noch bis vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Da gehörte Schnee im Dezember noch nicht in die Kategorie „Katastrophenmeldungen“, sondern zur Normalität und auch von plötzlich auftretendem Blitzeis wurde man eher selten überrascht, da damals noch jeder wusste, das so was im Winter passieren kann. Ich persönlich würde ja von „Blitzeis“ auch erst dann sprechen, wenn ich Anfang Juli im Freibad auf meinem Weg von der Liegewiese zum Beckenrand plötzlich auf eine Eisscholle treffe. Da die Klimakonferenz in Durban keinerlei neue Erkenntnisse brachte, wird man sich auf Wetterabsurditäten dieser Art wahrscheinlich einstellen müssen. Gut, dass die Medienlandschaft schon heute über das passende Vokabular verfügt.

Damit sich die Bevölkerung über Weihnachten nicht stumm am Festtagstisch gegenübersitzt, hat die Gesellschaft für deutsche Sprache noch flott das Wort des Jahres 2011 gekürt und somit für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Das Wort des Jahres 2011 lautet nicht Kernschmelze, EHEC oder Volatilität, sondern „STRESSTEST“. Ich bin sicher, man hat dieses Wort unter dem Eindruck der hektischen Vorweihnachtszeit ausgewählt, wohl wissend, dass einem großen Teil der Gesellschaft der eigentliche STRESSTEST mit dem Weihnachtsfest noch bevorsteht. Die Begründung dafür, warum die Wahl ausgerechnet auf dieses Wort fiel, lautete, dass in 2011 so ziemlich alles und jedes einem STRESSTEST unterzogen wurde: Atomkraftwerke, Banken und FDP-Mitglieder sowieso. Wie aus gut informierten Kreisen der FDP laut wurde, wünscht sich der Parteivorsitzende Philip Rösler zum Fest ein neues Fahrrad. Er hat gesteigerten Wert darauf gelegt, dass dieses KEINEN Rücktritt hat. Auch Bundespräsident Christian Wulff kann in diesen Tagen ein Lied davon singen, was ein STRESSTEST bedeutet, zum Beispiel pingelige Fragen zu diversen Verbindungen und privaten Darlehen. Da passt es gut ins Bild, dass Russlands Regierungschef Wladimir Putin auf die Frage „Wie geht’s denn so“? lapidar zur Antwort gab: „Alles bestens…läuft wie geschmiert“.

In einer repräsentativen Umfrage unter 11.111 Kölnern, welches denn die beliebtesten Lieder zum Weihnachtsfest seien, kam folgendes Ergebnis zustande:

Platz 3: „Rut sin de Ruse“

Platz 2: „Wenn et Trömmelche jeht“

Platz 1: „Viva Colonia“

Auf die Frage eines etwas genervt wirkenden und völlig spaßfreien westfälischen Reporters, ob die Kölner nicht wenigstens zu Weihnachten etwas mehr Besinnlichkeit walten lassen könnten, kam prompt das Gegenargument: „Kenne Sie eijentlisch dat Leedche MIR HAN ET HÄTZ FÖR KÖLLE vun de Bläck Fööss“? „Do fangen ich immer ahn ze kriesche…also wenn dat net besinnlisch is, dann weiss ich et ävver net“! Der Rheinländer ist halt eher der „Oh-Du-Fröhliche-Typ“…wahrscheinlich auch nur deshalb, weil man „Stille Nacht“ so schlecht auf Schellenbaum und decker Trumm spielen kann.

Zudem kam dabei heraus, dass auch der durchschnittlich typische Kölner Weihnachtsbaum in wesentlichen Teilen anders aussieht, als im übrigen Teil der Republik. Statt der üblichen Christbaumkugeln, hängen neben güldenen Kölschstangen und leckerem Flönz, dort bunte Kamelle und kleine Tanzmariechen. Bereichert wird der Baum durch typisch kölsche Instrumente in Miniaturformat wie z.B. Trömmelche, Quetsch und decke Trumm. Oben auf der Spitze thront kein Engel, sondern alternativ das Kölner Dreigestirn, der Geißbock oder Lukas Podolski. Aus den Tiefen der Nordmanntanne ertönt ein leises „Ich bin ne kölsche Jung“ und unterm Baum fährt keine Modelleisenbahn, sondern die Miniausgabe des Kölner Rosenmontagszuges, während Lichterketten abwechselnd in rut un wieß blinken und so manchen FC-Fan von der Meisterschaft träumen lassen. Das ist auch der Grund, warum ausgerechnet zum Fest gerade in Köln so gern vom Weihnachtswunder gesprochen wird.

Zum Abschluss noch ein Tipp: wenn es am Abend des 2.Weihnachtsfeiertages bei Ihnen zu Hause aussieht wie Hulle und Sie vor lauter Geschenkverpackungen nicht mehr treten können, gibt es zwei Möglichkeiten:

1. In der Milchstraße rast derzeit eine Gaswolke auf ein so genanntes Schwarzes Loch zu. Sollte sich selbiges bis auf Erdnähe ausdehnen, können Sie sich das Aufräumen getrost sparen. Das erledigt sich dann von selbst.

2. Sie melden sich bei Kabel Eins als Kandidat für die Sendung „Raus aus dem Messiechaos“…die kommen mit etlichen Leuten vorbei und räumen Ihnen die Bude nicht nur auf, sondern streichen sie auch noch neu. Dafür bekommen Sie on top auch noch Geld und haben bereits ein Budget für die Weihnachtsgeschenke im kommenden Jahr.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Stresstest und ein schönes Weihnachtsfest.

Frohe Weihnachten un Hilligovend Alaaf!
P.S. Für 2012 ist geplant, dass Stresstests auch im Karneval eingeführt werden. Etliche Elferräte und Sitzungspräsidenten werden das nicht unbeschadet überstehen.